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Corona-Krise: Mädchen und benachteiligte Kinder besonders betroffen

  • Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (FHSE)
    Universität / Zentralverwaltung und Rektorat
    03 Juni 2021
  • Kategorie
    Forschung, Universität
  • Thema
    Geisteswissenschaften

Neue Forschung zeigt, dass Mädchen und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien besonders von den sekundären Folgen der Pandemie betroffen sind welche sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können. Eine internationale Studie untersucht das Wohlbefinden von Jugendlichen in drei Ländern, die unterschiedlich von der globalen Gesundheitskrise betroffen sind. Laut den Forschenden sind die wichtigsten Determinanten des Wohlbefindens bei Kindern aus Luxemburg, Deutschland und Brasilien überraschend ähnlich.

Während der ersten Welle der Pandemie verzeichnen Forschende einen deutlichen Rückgang der Lebenszufriedenheit bei Kindern in Luxemburg, Deutschland und Brasilien. Die Universität Luxemburg und die Universität Tübingen haben gemeinsam mit Partnern der Universidade Presbiteriana Mackenzie und der Universidade Federal da Bahia in Brasilien aus Umfragedaten den Zusammenhang zwischen 20 potenziellen Faktoren und dem subjektiven Wohlbefinden während der Pandemie untersucht.

„Ein geringeres Wohlbefinden während der Pandemie war damit verbunden ein Mädchen zu sein, einen niedrigeren sozioökonomischen Status sowie bereits eine geringere Lebenszufriedenheit vor der Pandemie gehabt zu haben. Darüber hinaus wurden eine Reihe weiterer Faktoren mit dem Wohlbefinden der Kinder in Verbindung gebracht, darunter die Angst vor Krankheit, Schularbeiten, Aktivitäten zu Hause, die Zufriedenheit mit der Freiheit und die Zufriedenheit mit der Art und Weise, wie Erwachsene ihnen zuhören,“ sagt Prof. Dr. Pascale Engel de Abreu, Hauptautorin der Studie und Professorin für Psychologie an der Universität Luxemburg. „Die beobachteten Effekte waren in den teilnehmenden Ländern aus Europa und Südamerika sehr ähnlich,“ fügt Prof. Dr. Neander Abreu, Neuropsychologe an der Universidade Federal da Bahia, hinzu.

Die Studie ist Teil des größeren Forschungsprojekts „COVID-Kids“, das an der Universität Luxemburg angesiedelt ist. Die Projektleiterin, Prof. Dr. Claudine Kirsch, erklärt die Motivation für das Projekt: „Als wir im Frühjahr 2020 von COVID-19 getroffen wurden, war uns klar, dass dies nicht spurlos an unseren Kindern vorbeigehen würde. Ziel des COVID Kids-Projekts war es, die Erfahrungen im Homeschooling und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen während der ersten Welle der Pandemie zu untersuchen.”

„Seit Beginn der Pandemie war eine der bestimmenden Botschaften, dass ältere Menschen stärker betroffen sind. Die gesundheitlichen und nicht-gesundheitlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche erweisen sich jedoch als erheblich,“ ergänzt Co-Autor Prof. Dr. Sascha Neumann von der Universität Tübingen.

Ein begutachteter wissenschaftlicher Beitrag mit dem Titel „Subjective well-being of adolescents in Luxembourg, Germany, and Brazil during the COVID-19 pandemic“ wurde jetzt im renommierten Journal of Adolescent Health veröffentlicht und enthält die Forschungsergebnisse zum Wohlbefinden von Jugendlichen zwischen 10 und 16 Jahren. Es ist die erste länderübergreifende Studie dieser Art zum Wohlbefinden in dieser Altersgruppe; sie hat Daten aus Luxemburg, Deutschland und Brasilien ausgewertet.

Die Studie

Die Forscher sammelten zwischen Mai und Juli 2020 Daten von 1.613 Kindern in Luxemburg, Deutschland und Brasilien. Die Teilnehmer waren zwischen 10 und 16 Jahre alt und hatten alle Online-Zugang zu einer Umfrage mit 68 Fragen in 5 Sprachen. Die Befragung erfasste die soziodemografischen Informationen der Teilnehmer, ihre Erfahrungen während COVID-19 sowie ihre Lebenszufriedenheit und ihr emotionales Wohlbefinden erfassten. Eine Einschränkung der Studie besteht darin, dass die Stichprobe überwiegend Kinder aus sozioökonomisch gut gestellten Familien umfasste.

Die Ergebnisse

Die Forschenden entwickelten statistische Modelle unter Verwendung einer Reihe von Risiko- und Schutzfaktoren, um das Wohlbefinden von Jugendlichen während der Pandemie vorherzusagen. Von besonderem Interesse war es zu bestimmen, ob bei Kindern mit unterschiedlichem geografischem und kulturellem Hintergrund gemeinsame Prädiktoren für das Wohlbefinden auftreten würden. Zu den gemeinsamen Faktoren, die Teil der Modelle waren, gehörten Geschlecht, sozioökonomischer Status, intrapersonale Faktoren, Menge und Art der Schularbeiten und die Beziehung zu Erwachsenen.

„Die Angst vor Krankheiten war in allen drei Ländern der stärkste Indikator für das emotionale Wohlbefinden,“ sagt Pascale Engel de Abreu.

Implikationen

Die Ergebnisse können dazu beitragen, die Entwicklung hochwertiger Interventionen zur Förderung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie voranzutreiben. „Die Menge und Art der Schularbeiten, von denen bekannt ist, dass sie das Lernen der Schüler beeinflussen, wirken sich auch auf ihr Wohlbefinden aus. Es ist wichtig, dies bei der Unterrichtsplanung zu berücksichtigen, insbesondere in Situationen von Fernunterricht,“ sagt Claudine Kirsch.

„Ängste und Stress, die durch die Sorge vor einer Erkrankung hervorgerufen werden können, und die Art und Weise, wie Erwachsene Jugendlichen zuhören, sind weitere Faktoren, die möglicherweise Gelegenheiten für pädagogische und psychologische Unterstützung eröffnen. Es könnte sein, dass Interventionen, die auf diese Stress- und Schutzfaktoren abzielen, das Wohlbefinden von Kindern verbessern,“ ergänzt Pascale Engel de Abreu.

Die Wissenschaftler waren überrascht über die Ähnlichkeiten in ihren Modellen in den drei Ländern, die unterschiedliche Infektionskurven und unterschiedliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aufweisen. „Dies deutet darauf hin, dass die Faktoren, die das Wohlbefinden von Jugendlichen beeinflussen, trotz der unterschiedlichen Kontexte, Gemeinsamkeiten aufweisen. Dies kann Handlungsoptionen aufzeigen, die in den globalen Reaktionsplänen für COVID-19 priorisiert werden könnten,“ sagt Kindheitsforscher Sascha Neumann.

„Möglicherweise können Interventionen aus entwickelten Länder auch gefährdeten Kindern und Jugendlichen aus Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen helfen,“ fügt Neander Abreu hinzu.

„Die Studie zeigt auch die signifikanten Auswirkungen der Pandemie auf das Wohlbefinden jugendlicher Mädchen und Kinder aus einkommensschwachen Familien. Interventionen sind erforderlich, die auf die besonderen Bedürfnisse dieser vulnerablen Kinder zugeschnitten sind“ schließt Pascale Engel de Abreu.

„The bigger picture“

Während das COVID-Kids-Projekt eine Momentaufnahme in der frühen Phase der Pandemie liefert, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen zu verstehen. Aus diesem Grund haben die Wissenschaftlerinnen Kirsch und Engel de Abreu das Folgeprojekt „COVID Kids II“ ins Leben gerufen, das einige der Einschränkungen der früheren Forschung aufgreift.

Referenz: “Subjective well-being of adolescents in Luxembourg, Germany, and Brazil during the COVID-19 pandemic” von Pascale Engel de Abreu, Sascha Neumann, Cyril Wealer, Neander Abreu, Elizeu Coutinho Macedo und Claudine Kirsch, 2021. Journal of Adolescent Health.

DOI:https://doi.org/10.1016/j.jadohealth.2021.04.028