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Angeborene Herzfehler verstehen durch Vorhersage des Zellschicksals

  • Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB)
    Universität / Zentralverwaltung und Rektorat
    25 Juli 2019
  • Kategorie
    Forschung, Universität
  • Thema
    Lebenswissenscha​ften & Medizin

Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, enthüllt molekulare Faktoren, die das Schicksal bestimmter Herzstammzellen bestimmen. Es werden Mechanismen einer gestörten Herzentwicklung aufgedeckt, die nun einen Rahmen für die Untersuchung angeborener Herzfehler bieten.

Diese Ergebnisse stammen aus einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschern des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg und des Gladstone Institutes in Kalifornien. Während das amerikanische Team experimentelle Expertise und in-vivo-Validierung zur Verfügung stellte, nutzte die LCSB-Gruppe ihr langjähriges Fachwissen für die rechnerische Modellierung komplexer Netzwerke.

Die Bildung eines vollständigen Organs wie des Herzens erfordert, dass verschiedene Zelltypen zusammenkommen und auf eine bestimmte Weise organisiert werden. Wenn die Reifung und Migration dieser Zellen gestört sind, kann dies zu angeborenen Herzfehlern führen, den häufigsten Herzfehlbildungen. Die Prozesse, die bestimmen wie jeder Zelltyp zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommt, waren bis jetzt weitgehend unbekannt.

Eine umfangreiche Datenquelle zur Herzentwicklung

Um diese Prozesse zu untersuchen, mussten die Forscher zunächst die Rolle von Zehntausenden von Zellen bei der Bildung des Herzens herausfinden. Es ist ein wesentlicher Schritt, um festzustellen, wie genetische Mutationen angeborene Herzfehlbildungen verursachen können. “Mit der Genomsequenzierung können wir jetzt leichter genetische Varianten finden, von denen wir glauben, dass sie zu einer Krankheit beitragen”, sagte Gladstone Präsident und leitender Forscher Dr. Deepak Srivastava. “Die große Herausforderung besteht darin, den spezifischen Zelltyp herauszufinden, in dem diese Variante funktioniert und wie diese Zellen beeinflusst werden.” Srivastava und sein Team konnten einen Katalog zusammenstellen, der alle Gene enthält, die in verschiedenen Stadien der Herzentwicklung aktiv sind, und identifizierten die Zellen, in denen sie gefunden werden können.

Vorhersage des Zellschicksals durch Computermodellierung

Nachdem sie die zahlreichen Arten von Zellen identifiziert hatten, die an der Herzentwicklung beteiligt sind, wollten die Forscher wissen, wie diese verschiedenen Zelltypen erzeugt werden. Dazu haben sie sich mit Biologen des LCSB zusammengetan, die sich darauf spezialisiert haben, die verantwortlichen molekularen Faktoren für verschiedene Zelltypen zu finden.

“Unsere Gruppe entwickelt bereits seit vielen Jahren Rechenmodelle, die zum Verständnis der Zellkonvertierung beitragen. Somit haben wir das Fachwissen, um ganze Netzwerke molekularer Faktoren zu untersuchen, die die Identität von Zellen steuern”, erklärte Prof. Antonio Del Sol, Leiter der Gruppe Computational Biology am LCSB und Ikerbasque Professor am Forschungszentrum CIC bioGUNE in Bilbao (Spanien). “Als wir uns dem Projekt anschlossen, haben wir unsere Methoden angewendet, um – ohne jegliche Vorkenntnisse – vorherzusagen, welche Faktoren das Schicksal der verschiedenen Herzzellen bestimmen.”

Die von den luxemburgischen Forschern durchgeführte Computeranalyse hat erfolgreich vorausgesagt, welche molekularen Faktoren an der Entstehung spezifischer Zelltypen im Herzen beteiligt sind. Dabei wurde insbesondere ein Hauptakteur namens Hand2 als wichtig für die Spezifikation einer Zellstruktur identifiziert, in der die vorrangigen, abgehenden Blutgefäße des Herzens entstehen.

Im Labor sind Mäuse, denen Hand2 fehlt, nicht in der Lage, den rechten Herzventrikel zu entwickeln, welcher das Blut in die Lunge pumpt. Die neue Vorhersage der Luxemburger Forscher ergab, dass Hand2 für die Spezifikation der rechtventrikulären Zellen nicht erforderlich ist. Stattdessen sagte das Rechenmodell voraus, dass Hand2 für die Bildung der Zellen zur Entstehung der abgehenden Blutgefäße von entscheidender Bedeutung ist.

Überprüfung einer unerwarteten Vorhersage

Um die Diskrepanz zwischen der Computeranalyse und früheren in-vivo-Beobachtungen zu beheben, wurden neue Experimente initiiert. Schließlich stellte sich die Vorhersage als richtig heraus und unterstrich die Genauigkeit des Rechenmodells.

Es wurden zudem Mechanismen entdeckt, welche, ausgelöst durch beeinträchtigte Schicksalsbestimmung einiger Zellen, zu Defekten bei der Herzbildung während der Embryonalentwicklung führten. Neben Untersuchungsmöglichkeiten für angeborene Herzfehler, könnten diese auch neue Wege für die Umsetzung der Zelltherapie eröffnen.

“Wir konnten zeigen, dass es mit unserem Modell möglich ist, die wesentlichen Faktoren für die Differenzierung bestimmter Herzzellen zu identifizieren”, erklärte Antonio Del Sol. “Kürzlich haben wir eine allgemeinere Berechnungsmethode für die Zellumwandlung entwickelt und wir testeten bereits deren Anwendbarkeit. Wir haben so neue Vorhersagen für eine effiziente Umwandlung der Herzzellen des rechten Ventrikels in Zellen des linken Ventrikels und umgekehrt erarbeiten können. Unsere Kollegen in den USA arbeiten derzeit an der experimentellen Validierung.”

Die Studie Single-cell analysis of cardiogenesis reveals basis for organ level developmental defects wurde am 24. Juli 2019 in Nature online veröffentlicht.

© Universität Luxemburg