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Mutationen als Auslöser neuentdeckter Kinderkrankheit identifiziert

  • Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB)
    Universität / Zentralverwaltung und Rektorat
    10 Januar 2019
  • Kategorie
    Forschung, Universität
  • Thema
    Lebenswissenscha​ften & Medizin

Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit haben Forscher die genetische Ursache einer schwerwiegenden und erstmals beschriebenen Kinderkrankheit identifiziert. Betroffene Kinder leiden unter neurologischen Ausfällen, die mit einem milden Fieber oder einer Infektion einhergehen, Neurodegenerationen und Hautschädigungen. Letztlich führt die Krankheit bei Kindern zu einem frühen Tod.

Die internationale Gruppe von Biologen und Klinikern, darunter Forscher des Luxembourg Center for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg, sowie Wissenschaftler des Murdoch Children’s Research Institute, der Kinderklinik von Philadelphia und der medizinischen Fakultät der University of Exeter konnten genetische Mutationen mit einem Enzymmangel in Zusammenhang bringen, der verheerende Auswirkungen auf verschiedene Gewebe wie das Gehirn und das Herz hat. Diese Ergebnisse wurden kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Brain veröffentlicht.

Eine Stoffwechselkrankheit

Zellen führen ständig Tausende von chemischen Reaktionen aus, die zusammen als Stoffwechsel der Zelle bezeichnet werden. Der Stoffwechsel erzeugt dabei außerdem unerwünschte Nebenprodukte, die schädlich werden können, wenn sie sich in Zellen ansammeln. Um dies zu verhindern, verfügen die Zellen über Entgiftungssysteme: Enzyme, deren Aufgabe darin besteht, diese schädlichen Stoffwechselprodukte zu reparieren oder zu entfernen. Dass eine solche Reparatur von Stoffwechselprodukten in den Zellen überhaupt möglich ist, ist ein relativ neues Konzept und damit verbundene Krankheiten wurden erst kürzlich identifiziert.

NADHX ist eines dieser Stoffwechselprodukte, die schädlich sein können. In gesunden Zellen wird die Menge dieses Moleküls dank eines Entgiftungssystems, das aus den zwei Partnerenzymen NAXE und NAXD besteht, sehr niedrig gehalten. Diese Enzyme sind in allen Geweben des Menschen vorhanden und existieren auch in vielen anderen Spezies, was darauf hindeutet, dass sie eine grundlegende Rolle für den Körper spielen.

Identifizierung von krankheitsauslösenden Mutationen

“Dies ist die erste Studie, in der gezeigt werden konnte, dass Mutationen in NAXD, dem wichtigsten Enzym in diesem Entgiftungssystem, tatsächlich schwerwiegende Erkrankungen hervorrufen können”, erklärte Dr. Carole Linster, Leiterin der Forschungsgruppe Enzymology and Metabolism am LCSB. Die Mutationen wurden durch die Sequenzierung der Genome von sechs Kindern identifiziert, die infolge fieberhafter Episoden an Neurodegeneration oder Herzversagen litten. Carole Linster und ihr Team wurden daraufhin wegen ihres Fachwissens bezüglich des beteiligten Enzyms kontaktiert – 2011 hatten sie die molekulare Aufgabe von NAXD entdeckt – und sie lieferten wichtige Erkenntnisse zu den funktionellen Konsequenzen dieser Mutationen.

Mit Methoden, die zuvor von der Luxemburger Gruppe entwickelt wurden, konnten die Forscher zeigen, dass sich in Hautzellen, die von jungen Patienten stammen und daher die genetischen Mutationen enthalten, die toxische Substanz NADHX ungewöhnlich stark anreichert. Korrigierten die Forscher die Funktion des Enzyms in den Zellkulturen auf ein normales Niveau, konnte diese Ansammlung vollständig rückgängig gemacht werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass diese Mutationen die Ursache der neu beschriebenen Kinderkrankheit sind.

Verheerende Auswirkungen durch Fieber

Diese Mutationen haben weitreichende Konsequenzen. Die Forscher beobachteten, dass die Aktivität der Mitochondrien, den Energiekraftwerken der Zellen, bei Patienten gestört ist und dass mutierte Versionen des Enzyms NAXD bei der Entgiftung der schädlichen Stoffwechselprodukte weniger wirksam sind. Besonders interessant ist auch, dass die Mutationen zu Thermolabilität führen, d.h. dass das Enzym bei höheren Temperaturen zunehmend weniger wirksam ist. Diese Beobachtung kann teilweise erklären, warum der Beginn der Krankheit mit Fieber einhergeht.

Insgesamt betrachtet, klassifizieren diese Ergebnisse den NAXD-Enzymmangel als eine neue Erkrankung des Stoffwechsel-Entgiftungssystems, die sich direkt auf wichtige Organe wie das Gehirn und das Herz auswirkt. Diese Studie bietet auch eine solide Grundlage für die Suche nach neuen Therapieansätzen, die den Ausbruch dieser schwerwiegenden Krankheit verzögern oder verhindern könnten. „Bisher wurden nur wenige genetische Stoffwechselkrankheiten dieser Art beschrieben”, erläutert Carole Linster. „Angesichts des schnellen Fortschritts auf diesem Forschungsgebiet werden zukünftig weitere Erkrankungen identifiziert werden können, wenn Ärzte und Biochemiker in internationalen Forschungskooperationen Hand in Hand arbeiten, um solch mysteriöse und seltene Krankheiten gemeinsam zu entschlüsseln.”

Um mehr über die Studie zu erfahren, werfen sie einen Blick auf den Videoausschnitt:

Bibliographie : NAD(P)HX Dehydratase (NAXD) deficiency: a novel neurodegenerative disorder exacerbated by febrile illnesses, Nicole J Van Bergen, Yiran Guo, Julia Rankin, Nicole Paczia, Julia Becker-Kettern, Laura S Kremer, Angela Pyle, Jean-François Conrotte, Carolyn Ellaway, Peter Procopis, Kristina Prelog, Tessa Homfray, Júlia Baptista, Emma Baple, Matthew Wakeling, Sean Massey, Daniel P Kay, Anju Shukla, Katta M Girisha, Leslie E. S. Lewis, Saikat Santra, Rachel Power, Piers Daubeney, Julio Montoya, Eduardo Ruiz-Pesini, Reka Kovacs-Nagy, Martin Pritsch, Uwe Ahting, David R Thorburn, Holger Prokisch, Robert W Taylor, John Christodoulou, Carole L Linster, Sian Ellard, Hakon Hakonarson, Brain, 2019 Jan 1;142(1):50-58. DOI 10.1093/brain/awy310

Finanzierung: In Luxemburg wurde diese Studie durch eine Spende des Lions Club International Esch-sur-Alzette unterstützt. Julia Becker-Kettern und Nicole Paczia wurden jeweils mit einem AFR-PhD-Stipendium (4044610) und einem Junior-CORE-Stipendium (C16 / BM / 11339953) des Fonds National de la Recherche (FNR) unterstützt.

© Foto aus RCSB PDB (www.rcsb.org) von PDB ID 3RQ2