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Thema Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit und Diversität sind in vielen Gesellschaften Europas und rund um die Welt eine Realität. Mehrsprachige und interkulturelle Kommunikation ist durch Globalisierung und Migration zum Alltag in Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung geworden.

In vielen Ländern – Luxemburg ist ein hervorragendes Beispiel für dieses Phänomen – bilden Mehrsprachigkeit und Multikulturalität zudem einen wichtigen Teil der nationalen Geschichte und Identität. Darüber hinaus hat das traditionell mehrsprachige Luxemburg einen bedeutsamen Anteil von Immigranten sowie Grenzpendlern und beherbergt eine internationale Gemeinschaft mit vielfältigen kulturellen, religiösen und sozialen Wurzeln.

Lesen Sie hier mehr über unsere Forschung zur Mehrsprachigkeit und unsere Themenideen:

 

Mehrsprachigkeit und kognitive Fähigkeiten

Pascale Engel de Abreu

Mehrsprachigkeit ist Fitnesstraining für das Gehirn: Das ist zumindest die These von Pascale Engel de Abreu. Die Professorin in Psychologie an der Universität Luxemburg liefert die Erklärung auch gleich mit: „Das Gehirn kann wie ein Muskel betrachtet werden. Durch Training wird es immer leistungsfähiger, wobei das Verwenden mehrerer Sprachen die perfekte Übung ist, um das Gehirn auch für andere Aufgaben zu stimulieren.“ Wie beim Muskelaufbau sei dabei regelmäßiges Training, sprich: gelebte Mehrsprachigkeit gefragt.

Vielseitiger Umgang mit Sprachen begünstigt andere Anwendungsprozesse

Als Luxemburgerin ist Pascale Engel de Abreu in einer polyglotten Umgebung groß geworden, weiß also auch ganz praktisch, wovon sie akademisch spricht. Nach einigen Jahren in Großbritannien widmet sie sich seit nunmehr vier Jahren an ihrer „Heimatuniversität“ der Mehrsprachigkeit von der kognitionspsychologischen Seite. Das heißt, sie untersucht die Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit des Menschen – aus der wiederum die sogenannten exekutiven Fähigkeiten resultieren. Letztere führen zu einer schnellen Aktion, die der jeweiligen Herausforderung entspricht.

 

 

Was das mit Sprache zu tun hat? „Sprachen lernen ist eine kognitive, sie anzuwenden eine exekutive Fähigkeit, und in der Psychologie wissen wir mittlerweile, dass ein vielseitiger Umgang mit Sprachen auch andere Lern- und Anwendungsprozesse begünstigt.“ Da solch vielseitiger Umgang in Luxemburg eine Realität ist, bezeichnet Pascale Engel de Abreu das Land als eine Art Alltags-Versuchslabor sieht. Dass es aber auch hier noch viel zu analysieren und verbessern gibt, zeigt sich nicht zuletzt anhand ihres aktuellen Forschungsprojektes POLILux.

Forschung zu Einfluss der Muttersprachkompetenz auf das Sprachenlernen

„POLILux hat zum Ziel heraus zu finden, ob und inwieweit die gezielte Förderung der Muttersprache portugiesischen Mädchen und Jungen beim Sprachenlernen hilft“, so Pascale Engel de Abreu: „Dazu begleiten wir drei Jahre lang zufällig ausgewählte Vorschulkinder, wobei wir davon ausgehen, dass Muttersprachekompetenz zu einer allgemein höheren Sprachkompetenz führt.“ Ein anderes Forschungsergebnis zu Mehrsprachigkeit, das laut Pascale Engel de Abreu bereits feststeht, betrifft ältere Menschen: „Mehrsprachige Menschen sind immuner gegen Demenz.“

 

Mehrsprachigkeit als Wegweiser zu neuen Horizonten

Claudine Kirsch

Sprachen sind lebendig, und sie sollten frei eingesetzt werden: Daran lässt Claudine Kirsch keinen Zweifel. Die Professorin für Sprachdidaktik an der Universität Luxemburg sieht Mehrsprachigkeit als dynamischen Prozess, der „Spaces“ braucht, um das komplette „Repertoire“ ausschöpfen zu können. Translanguaging heißt dieser Prozess, was verkürzt gesagt bedeutet: Eine Person nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden sprachlichen Fähigkeiten, und zwar so, wie es der jeweiligen Situation am ehesten entspricht – und das von der Kindheit an.

Kreativer Umgang ohne Perfektionsdruck

„Das widerspricht natürlich dem früheren Prinzip, wonach jede Sprache gleich gut gesprochen werden müsse“, erläutert die frühere Lehrerin den Paradigmenwechsel: „Heute wissen wir, dass es ganz normal ist, dass man in einer Sprache besser kommuniziert als in der anderen und lassen dies auch zu.“ Dieses Wissen, so Claudine Kirsch weiter, mindert den Perfektionsdruck und macht den Weg frei für einen mutigen und damit kreativen Umgang mit Sprache – in der Familie, in der Schule, aber auch im späteren Leben.

„Wenn zwei Kinder in der Schule oder zwei Erwachsene in einem Meeting, die dieselbe Sprache sprechen, sich in einem Arbeitsprozess kurz in dieser Sprache austauschen, dann führt das oft zu besseren Resultaten“, so Claudine Kirsch. Ohnehin habe rund um das Thema Mehrsprachigkeit ein nachhaltiger Pragmatismus Einzug gehalten, was auch mit der „Alltäglichkeit“ des Themas zu tun habe: „Durch die neuen Technologien sind Sprachen rund um die Uhr zugänglich geworden, so dass jeder sich stets neue Horizonte erschließen kann.

Translanguaging ist ein globales Thema

Technologie ist demnach auch ein wesentliches Element, auf das Claudine Kirsch bei der Vermittlung von Mehrsprachigkeit setzt: Mit der an der Universität Luxemburg entwickelten iPAD App iTEO sollen Kinder inspiriert werden, sich ohne Zwang und Angst auszudrücken. Bei diesem und ähnlichen Projekten arbeitet Claudine Kirsch mit internationalen Kollegen zusammen, wie Ofelia Garcia von der City University of New York. Beide sind sich einig, dass die neue sprachliche Offenheit kein Privileg multilingualer Länder wie Luxemburg, Belgien oder der Schweiz ist. Schmelztiegel gibt es heute überall – weshalb Translanguaging auch ein globales Thema ist.