Thema Mensch und Gesellschaft
- Ausgezeichnet: Luxemburger Studenten stellen Ersten Weltkrieg auf Twitter nach
- Zukunftsthema Soziale Ungleichheit
Ausgezeichnet: Luxemburger Studenten stellen Ersten Weltkrieg auf Twitter nach
Digital Humanities ist eines der Leitmotive der moderne Geschichtswissenschaften. Was dabei herauskommen kann, zeigt das mit dem Jugendkarlspreis prämierte Projekt @RealTime WW1 der Universität Luxemburg.
Menschliche Komponte wird vermittelt
@RealTime WW1 wurde von Studenten des Masterstudiengangs für Europäische Zeitgeschichte initiiert (Master en histoire européenne contemporaine). WW1 steht dabei für World War 1 und @RealTime für Echtzeit auf Twitter. Was auf den ersten Blick nach unvereinbaren Gegensätzen klingt, ergibt in der Praxis eine neue Art von Geschichtsschreibung. Seit Beginn des Jahres 2014 stellen die Luxemburger Historiker das Leben während des Ersten Weltkriegs in nur wenigen Zeilen auf dem Twitter-Account @RealTimeWW1 dar. Dabei geht es nicht darum, den Waffengang als eine Geschichte von Gewinnern und Verlierer darzustellen, sondern vielmehr um die Vermittlung der menschliche Komponente.
Rund 10 000 User folgen der(n) Geschichte(n)
So werden unter https://twitter.com/RealTimeWW1 die Ängste von Müttern um ihre Söhne artikuliert, Liebesbriefe Web2.0-gerecht verfasst, Weihnachtslieder in mehreren Sprachen virtuell neu gesungen und das Vaterunser schützengrabenüberschreitend nachgebetet. Auf diese Art und Weise brechen die Studenten die große Weltgeschichte auf kleine persönliche Geschichten herunter, so dass sie im Heute nachvollziehbar wird. Indem jeder Tag in einigen Sätze erzählt wird, eröffnet sich den mittlerweile rund 10 000 Followern ein neuer Blickwinkel auf ein historisches Drama – aber auch auf heutige politische und gesellschaftliche Prioritäten.
Erster Platz beim europäischen Jugendkarlspreis
„Indem wir die Ereignisse von vor hundert Jahren durch die Augen des Soldaten, der Krankenschwester, des Schulkinds, des Künstlers, des Bauern, der Aktivistin erzählen, hoffen wir, die Sinnlosigkeit des Krieges darstellen und gleichzeitig eine Plädoyer für das moderne Europa abgeben zu können“, so Historiker Prof. Dr. Benoît Majerus, der @RealTime WW1 ins Leben rief und leitet. „Deshalb freuen wir uns auch sehr über den ersten Platz beim Jugendkarlspreis 2015.“
Die renommierte Auszeichnung des europäischen Parlaments wird jährlich in Aachen an junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren verliehen, die mit ihren Projekten zur europäischen Verständigung beitragen. Weitere Information: 2015 European Charlemagne Youth Prize for Luxembourg!
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Soziale Ungleichheit
Louis Chauvel und Conchita d’Ambrosio
Soziale Ungleichheit ist nicht unbedingt ein Forschungsthema, das man in Luxemburg vermuten würde. Dennoch haben sich an der Universität Luxemburg mit Louis Chauvel und Conchita d’Ambrosio zwei Top-Forscher dem Auseinanderdriften der Einkommensschere gewidmet. Aus gutem Grund, denn das Thema hat im „Finanzparadies“ Tradition: Seit rund 25 Jahren gibt es die Luxembourg Income Study (LIS), die weltweit größte Datenbank zur Einkommensverteilung.
In der LIS sind Daten zur Steuer-, Ausgaben- und Einkommenssituation von Haushalten aus 40 Ländern weltweit erfasst. Diese nutzten die beiden Forscher im Rahmen des Pearl-Forschungsprogramms des Fonds National de la Recherche (FNR), das sie im März 2018 abgeschlossen haben – und zwar, gemäß eines Prinzips des Forschungsstandorts Luxemburg, interdisziplinär: Der gebürtige Franzose Louis Chauvel ist ein weltweit anerkannter Soziologe, die Italienerin d’Ambrosio ist eine nicht minder reputierte Wirtschaftswissenschaftlerin. Und beide verfügen über ein weltweites Netzwerk, das nicht minderdisziplinär strukturiert ist.
Bei allem internationalen Charakter von Projekt und Datenbank legen Chauvel und d’Ambrosio Wert auf die lokale Relevanz ihrer Arbeit: „Ungleichheit ist ja verkürzt gesagt unter anderem so definiert, dass die Mittelschicht immer kleiner wird und sich Reichtum auf immer weniger Menschen konzentriert“, so Louis Chauvel. Dies sei in ganz Europa – und darüber hinaus – erkennbar und mache auch vor Luxemburg nicht Halt. Auch dort müsse die junge Generation damit leben, weniger zu haben als diejenige vor ihnen. Ein alarmierendes Signal hierfür sei auch in Luxemburg die Jugendarbeitslosigkeit.
Zukunftsfähigkeit auf dem Prüfstand
Dies zeigt laut Chauvel, dass Luxemburg letztlich ein ganz „normales“ Stück Europa. So ähnle das Land bei der Jugendarbeitslosigkeit Frankreich; beim Wirtschaftswachstum wiederum seien Parallelen zu Deutschland erkennbar. All das verdeutlicht unter dem Strich das stete Auseinanderdriften der Gesellschaft und der Generationen. Ein fataler Trend mit Langzeitfolgen für die Betroffenen, wie Conchita d’Ambrosio betont: "Armut fängt schlecht an und bleibt schlecht. Sie macht unglücklich" Deshalb stellt sie mit Louis Chauvel auch nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft auf den Prüfstand.
Weitere Information: irsei.uni.lu.