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Anja Leist erhält eine „ERC Starting Grant“ Auszeichnung

  • Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (FHSE)
    Universität / Zentralverwaltung und Rektorat
    18 September 2018
  • Kategorie
    Forschung, Universität

Dr. Anja Leist, Forscherin an der Universität Luxemburg, erhält den Starting Grant für Nachwuchsforscher des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) für ihre Forschung zu Demenz und kognitiver Beeinträchtigung im fortgeschrittenen Alter. Sie wird über einen Zeitraum von fünf Jahren 1,5 Millionen Euro bekommen, um das vielversprechende Forschungsvorhaben durchzuführen

Ihr Projekt CRISP – „Cognitive Aging: From Educational Opportunities to Individual Risk Profiles“ wird umfassende Erkenntnisse und Verfahren für die Erkennung der Risikofaktoren sowie der gefährdeten Personen bereitstellen, damit diese so früh wie möglich ihren Lebensstil anpassen können. Ihr Forschungsprojekt ist eng mit Computerwissenschaften verbunden.

 

Demenz äußert sich durch eine Verschlechterung der Gedächtnisleistung, des Denkens sowie der Fähigkeit zur Verrichtung von Alltagstätigkeiten. Sie betrifft rund 50 Millionen Menschen weltweit und fast zehn Millionen Menschen in Europa. Die konkreten Krankheitsbilder der Demenz, wie z. B. Alzheimer, haben verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Personen und deren Familien. Sowohl für Pfleger als auch für die Gesundheitssysteme stellen diese Krankheiten eine große Herausforderung dar und sind mit hohen Kosten verbunden. Trotzdem gibt es gegenwärtig keine Behandlung, mit der kognitive Beeinträchtigungen rückgängig gemacht oder geheilt werden können.

Wie Ungleichheiten das kognitive Altern bestimmen

Forschern ist bewusst, dass in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter die Grundlage für die kognitiven Fertigkeiten gelegt werden, die für die gesamte Lebensdauer bestimmt sind. Jedoch ist wenig bekannt, welchen Einfluss unser Umfeld darauf hat, wie sehr wir unser kognitives Potenzial verwirklichen. Dies ist das erste Ziel des Forschungsteams um Anja Leist.

„Angeborene Fähigkeiten und der familiäre Hintergrund, aber auch externe Faktoren wie z. B. Bildung, das soziale Umfeld, Geschlechtergleichberechtigung und die berufliche Entwicklung haben einen Einfluss darauf, in welchem Maße wir das Potenzial unseres Gehirns ausschöpfen können“, so Leist. „Während unseres gesamten Lebens tragen diese Faktoren zum Aufbau einer kognitiven Reserve, sprich eine Art kognitive „Fitness“ oder die Fähigkeit zu improvisieren und neue Handlungsmöglichkeiten zu finden. Mit der Zeit hilft uns diese kognitive Reserve dabei, die Verschlechterung unserer kognitiven Leistungsfähigkeit aufzufangen bzw. hinauszuzögern.“

Durch eine Quantifizierung des Einflusses der kontextuellen Ungleichheiten in Verbindung mit Bildung und Geschlecht können die Forschungsergebnisse die politische Entscheidungsfindung in diesen Bereichen unterstützen. „Es ist unbedingt erforderlich, dass jeder von einem Bildungsumfeld und Sozialmilieu profitieren kann, das den Aufbau einer kognitiven Reserve fördert“, so Leist.

Mit maschinellen Lernverfahren die Komplexität der kognitiven Entwicklung erfassen

Heutzutage gibt es Verhaltensinterventionen zur Förderung günstiger Verhaltensweisen, die den Verlust der kognitiven Funktionen von gefährdeten Personen hinauszögern können. Allerdings benötigen Forscher und Mediziner kostengünstige und nicht-invasive Verfahren, um gefährdete Personen zu erkennen. Der zweite Teil dieses Forschungsprojekts besteht deshalb aus einer verstärkten Nutzung der statistischen Modelle, die mit Hilfe neuer maschineller Lernverfahren in den Sozialwissenschaften angewandt werden. Was sich wie eine abwegige Kombination anhört, ist in Wirklichkeit der Schlüssel, um die Komplexität des kognitiven Leistungsabbaus zu verstehen.

„Die Veränderung der kognitiven Entwicklung verläuft nicht linear, sondern variiert im Hinblick auf Geschwindigkeit, Intensität, Kontinuität und Rückschläge“, erklärt Leist. „In Anbetracht der Vielzahl der genetischen, sozialen und verhaltensbezogenen Faktoren können die herkömmlichen Methoden diese Komplexität kaum erfassen. Gleichzeitig können die neuen maschinellen Lernverfahren nicht einfach blind von der Anwendung großer Datenmengen übernommen werden. Stattdessen kombiniert man sie mit anspruchsvollen Kausalitätsverfahren, um so Licht in die komplexen Zusammenhänge des kognitiven Alterns zu bringen.“

Mit diesen Modellen können Personen mit einem hohen Risiko für Demenz besser erkannt und unterstützt werden, damit sie Änderungen an ihrem Lebensstil vornehmen und eine kognitive Beeinträchtigung wirksam abwehren.

Lebenslanges Engagement

Dr. Anja Leist ist nominierte Associate Professor an der Universität Luxemburg. Ihr Fachgebiet ist Sozialepidemiologie, insbesondere in Verbindung mit sozialen Ungleichheiten und Gerontologie. Sie ist Mitglied der Gerontological Society of America und engagiert sich freiwillig in dem weltweiten Netzwerk World Young Leaders in Dementia. Außerdem organisiert sie Workshops zum Thema Demenz in luxemburgischen Sekundarschulen, in denen sie Teenagern beibringt, wie man Demenz erkennt und mit betroffenen Personen umgeht.

Fotos: © Yaph